Mit der Transsibirischen Eisenbahn ins Nirgendwo

von Holger Neumann

 

Diese Woche besuchte Karin Haß unser Museum und berichtete von ihrem Leben in einem kleinen Dorf in Ostsibirien.

Seit fast zehn Jahren reist sie nun in die Taiga und lebt dort neun Monate lang in dem Dorf Srednjaja Oljokma mit ihrem Mann Slava, einem Pelzjäger vom Volk der Ewenken. Sie verließ ihr Leben als Systemanalytikerin in Hamburg, weil sie sich in die Natur und die endlosen Weiten der sibirischen Taiga verliebte.

Das Dorf liegt sehr abgelegen, ca. 300 km von der nächsten Ortschaft Tupik („Sackgasse“) entfernt, und ist nur per Wasserwerg zu erreichen. Im Sommer kann man mit einem offenen Boot den Fluss Oljokma entlang fahren, im Winter hingegen ist der zugefrorene Fluss nur mit eine Schneemobil oder einem Lastwagen befahrbar (die Eisschicht wächst fast zwei Meter hoch!). Der Landweg kommt nicht in Frage, denn es gibt keine Straßen in der unberührten Natur! Das bedeutet aber auch, dass das Dorf und ihre Bewohner mehrere Monate im Frühling und Herbst, wenn das Eis taut bzw. der Fluss zufriert, von der Außenwelt abgeschnitten sind.

Karin Haß fühlt sich in beiden Ländern heimisch: sie freut sich jedes Mal, wenn sie nach Deutschland zurück kommt und empfindet die Höflichkeit und Organisation hier als Serviceparadies. Allerdings werden ihr die Menschenmassen hier oft zu viel. Denn in Sibirien liebt sie die Einsamkeit, die vielfältige Landschaft und das einfache Leben mit ihrem Mann in einer kleinen Holzhütte und dem Garten mit vielen selbst angebauten Früchten und Gemüsesorten. In dem kontinentalen Klima mit heißen Sommern wachsen Auberginen, Paprika, Kürbisse und sogar Melonen.

Das Paar muss sich selbst versorgen durch Fischen, die Jagd auf Zobel und den eigenen Gartenanbau. Einen kleinen Laden gibt es zwar im Dorf, der hat aber oft leere Regale und bietet sowieso nicht so viele Sachen an. Für einen Großeinkauf müssen beide immer per Boot oder Lastwagen auf dem Fluss nach Tupik oder in eine andere große Ortschaft fahren. Das macht man dann natürlich nur ein paar Mal im Jahr!

Strom gibt es nur ein paar Stunden am Tag, von 8 bis 10 Uhr morgens und dann nochmal abends von 17 bis 1 Uhr nachts. Sonst benutzten sie eben Kerzen. Trotzdem besitzt sie ein Satellitentelefon für Notfälle. Aber es gibt kein Internet, keine Handys und nur wenige Fernseher im Dorf.

Was, wenn man mal krank oder bei einem Ausflug oder einer Jagd verletzt wird? Einen Dorf“arzt“ gibt es zwar, der aber laut Karin Haß nicht wirklich viel Ahnung von seinem Job hat. Zähne Ziehen und offene Wunden nähen, das kann er wohl – ohne Betäubung versteht sich. Aber dann ist er auch schon überfordert. Manchmal ruft er einen Kollegen an und fragt um Rat, aber wenn es besonders schlimm ist, muss der Patient in die nächste Ortschaft gefahren oder im Notfall vom Katastrophendienst mit dem Hubschrauber abgeholt werden.

Aber Karin Haß lässt sich davon nicht abhalten. Sie liebt die Tatsache, dass sie in diesem Land immer wieder so viele neue Erfahrungen machen, so viele neue Dinge lernen und entdecken kann wie sonst nirgendwo auf der Welt. Ihre Internetseite bietet einen kleinen Eindruck von der Idylle Sibiriens.

Übrigens, einen Urlaub kann man bei ihr auch buchen! Wer schon immer mal die Taiga erleben wollte, kann eine kleine, renovierte Blockhütte im Dorf Srednjaja Oljokma mieten und Slava nimmt einen mit auf die Jagd oder man wandert durch die glitzernde Schneelandschaften. Hört sich für mich nach einem spannenden Urlaub an.

Liebe Grüße

Viviane Bolin

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